Mrs. Peckhams Geheimnis des flexiblen Kochens
Rezension
Mrs. Peckhams Geheimnis des flexiblen Kochens
Jedes Gericht leicht abwandelbar für alle
Meine Tante Klara sagte manchmal: „Ist ein Geheimnis wirklich deins - verrate es nicht, sonst ist es keins!“ Na ja, Klara war für ihre schrägen Sprüche bekannt und flunkerte, meist überzeugend, indem sie unter anderem behauptete, sie habe noch gegen Saurier gekämpft und beim letzten Abendmahl damals, die Speisen aufgetragen. Irgendwann habe ich ihr das nicht mehr geglaubt und die Geschichte mit dem Abendmahl war ja wohl frei erfunden und viel zu tun hätte sie ja nicht gehabt, denn es soll ja nur Brot und Wein serviert und gegessen worden sein. Also klassisch vegan. Sofern das Getreide nicht mit Eseln transportiert worden war. Und die Weinschläuche auch. Aber ein Geheimnis ist immer am interessantesten, wenn es unter dem Siegel der Verschwiegenheit erzählt wird.
Ich hatte, als es noch möglich war, alte Freunde und Freundinnen aus der Gymnasialzeit eingeladen und war schon bei der Weinauswahl am Limit. Meine selbst produzierten Tropfen wurden bereits vor dem Ausschenken hinterfragt. „Ist das auch Bio? Wieviel Säure, Restzucker und Alkohol? Hast Du auch Rosé oder Auslese? Schwefelst du den?, Hat der Depot?“ Der erste Spaß war verflogen und beim Essen wurde es noch schlimmer. „Saumagen? Nix für mich. Ist in Leberkäse wirklich Leber drin? Nein, man sagt auch Fleischkäse. Welchen Essig nimmst du für den Krautsalat? Balsamico spezial oder den von Berl?* Dann ja.“ Mann oh Mann, Frau oh Frau. Früher, in der Unterprima, kam die Riesenflasche Lambrusco immer rechtzeitig und die Fettpommes an der Bude waren gerade richtig, als Grundlage für die Schlucke, die folgten. Hätte ich das Buch von Karina vor dem Miniklassentreffen in Händen gehabt, wäre die Situation milder verlaufen, denn ich hätte alle Diät-und Essenswünsche locker erfüllen können. Lowcarb, Paleo, Vegetarisch, Vegan, Gluten- und laktosefrei? Kein Problem. Die Autorin zeigt beeindruckend, dass jedes Gericht leicht abgewandelt, für alle Nicht-Flexitarier zubereitet werden kann. Und ich ahne jetzt, welche Position ich in der Nahrungsaufnahme einnehme. Nein, ich weiß jetzt, dass ich Flexitarier bin, also ich esse das, was angeboten wird, ich mir selbst bereite oder über das ich seit Jahren nachdenke, wenn ich mal wieder glaube, dass die Badezimmerwaage von Null auf Hundert nur drei Sekunden braucht, schneller als mein Jaguar E-Type.
Both-Peckham rät ab Seite 32, den Vorratsschrank gut zu füllen, denn das Zitat: “spart beim Einkauf regelmäßig Zeit und vermeidet lange Einkaufslisten. Es lohnt sich also wenn ihr einmalig ein wenig Zeit investiert und übersichtlich in Vorratsboxen vorsortiert die folgenden Lebensmittel bereithaltet.“ Natürlich zähle ich jetzt nicht alle diese Lebensmittel auf, das sollten die Lesenden sich reinziehen. Außerdem unterscheide ich Lebensmittel von Nahrungsmitteln, denn zu Lebensmitteln zähle ich auch Rasierwasser, Shampoos, andere Dinge zur Körperpflege und gewisse Luxusprodukte.
Seit über zehn Jahren betreiben Karina und Wolfgang das Restaurantcafé Peckham`s in Erfurt und haben sich ein einfaches Konzept zurechtgelegt. Es gibt von 11-15 Uhr ein Mittagsgericht und eine Suppe. Und das Besondere daran, ist die flexible Zubereitung. Für jede Ernährungsgestaltung von paleo über lowcarb bis vegetarisch und vegan, Das gilt auch für Sandwiches und Kuchen. Und Kochkurse werden auch lebhaft genutzt. Ich hoffe nach Corona noch häufiger. Alle Wetter, das ist wirklich etwas, was Menschen zusammenführt, die eigentlich das selbe Gericht genießen, aber eben auf ihren Genussstil abgestimmt wünschen. Das lässt keinen Raum für missionarisch orientierte Diätstile, die Zusammenkünfte alter Erinnerungsgemeinschaften quälend werden lassen. Und Abendmahle werden dann reichhaltiger und stellen alle zufrieden, die meistens unzufrieden sind. Ich verrate mein Lieblingsrezept aus dem Buch nicht. Aber Kürbis wird dabei sein, denn davon reifen sehr viele im Garten vor sich hin und Stekovics Paradeiser-Tomaten ebenfalls. Also ich meine das Rezept auf Seite 102. Gefüllter Ofenkürbis. Es bleibt mein Geheimnis. Aber jetzt ist es eben ein offenes Geheimnis. Ich glaube, das sind die besten. Und das glaubt Karina auch, da bin ich mir sicher.
https://www.youtube.com/watch?v=thdcZSZHgNg
Fazit:
Das Buch ist sehr gut aufbereitet und erklärt die verschiedenen Zutaten aller Genussarten sehr eindrucksvoll. Das Stichwortverzeichnis ist umfangreich und fast lückenlos. Der Begriff „Flexitarier“ wird dort aber nicht aufgeführt, sondern im Text aus der Sicht der Autorin erläutert. Also nicht im Sinne der strengen Lehre: Das Wort Flexitarier bedeutet «flexibler Vegetarier». Per Definition aus verschiedenen Beiträgen zur Nahrungsaufnahme ernährt sich ein Flexitarier gewöhnlich fleischlos, doch von Zeit zu Zeit isst er auch Fleisch oder Fisch. Aber immer nur, wenn die Herkunft hochwertig ist und sich lückenlos zurückverfolgen lässt.
Dass Karina auch Foodstylistin ist, wird durch die Bebilderung sehr deutlich. Für 24 Euro finde ich selten ein so gut informativ aufbereitetes Kochbuch. Es kommt ohne Bewertung der bevorzugten Nahrungsaufnahme aus.
Und gegen den Rat von Tante Klara offenbare ich doch noch ein Geheimnis: Ich fahre keinen Jaguar. Der würde mich zwar ein wenig schneller nach Erfurt bringen als meine olle Kiste. Aber dorthin will ich unbedingt. Als Flexitarier muss ich dort mal speisen und am besten drei meiner meiner früheren Mitessenden auch. Denn die passen bequem in mein Gourmetvehikel hinein. In den o.a. Sportwagen nicht!
Genussgrüße schickt
Frank Krajewski
* https://www.essig-brauhaus.de/unternehmen/unternehmen/
Mrs. Peckhams Geheimnis des flexiblen Kochens
Jedes Gericht leicht abwandelbar für alle
Karina Both-Peckham | LV. Buch