So zeigen Sie
COVID-19, wo der Hammer hängt
Technische Lösungen für im Lockdown
Meinung von Stefanie Milcke
Jetzt erst recht:
So zeigen Sie COVID-19, wo der Hammer hängt
Gerade erst wurde bekannt, dass die Gastronomie in Deutschland möglicherweise noch länger geschlossen bleiben muss – die längste „vorübergehende“ Zwangsschließung einer ganzen Branche der Geschichte, und das ohne Nachweis, dass Restaurants überhaupt entscheidend zur Verbreitung des Virus beitragen hätten. Wir sprechen mit Stefanie Milcke, Chief Marketing und Sales Officer bei Amadeus360 – früher Marketing Director des Unicorns Klarna - über die Optionen für gastronomische Betriebe.
Frau Milcke, was sagen Sie zu den aktuellen Überlegungen der weiteren Pandemieeindämmung?
Wir fühlen mit unseren Kunden! Auch wenn wir generell hinter der COVID-19 Bekämpfungsstrategie stehen, können wir nicht nachvollziehen, warum eine Hand voll Branchen diskriminiert wird, obwohl sie alle Sicherheitsrichtlinien einhalten. Gastronomische Betriebe länger als andere geschlossen zu halten, erscheint uns nicht verhältnismäßig.
Als Salesleitung stehen Sie im ständigen Austausch mit Ihren Kunden. Wie geht es diesen jetzt?
Einige sind fassungslos, haben sie doch gerade erst in Sicherheitsmaßnahmen wie teure Lüftungssysteme investiert. Zum Dank wurden sie im November als eine der ersten Branchen zur Schließung gezwungen. Bei anderen spüren wir eine deutliche Kämpfermanier.
Was raten Sie Kunden, die sich nicht einfach so ihrem Schicksal ergeben wollen? Sollten sie sich der Protestaktion „Wir machen auf“ des Handels anschließen?
Wie man hört wurden mit Protestaktionen bereits erste Erfolge erzielt. Dennoch sollte so eine Entscheidung wohl überlegt sein, immerhin drohen empfindlich hohe Bußgelder.
Welche Optionen bleiben der Gastronomie also, um um das eigene Überleben zu kämpfen?
Wir raten eher zur vollständigen Ausschöpfung von regelkonformen Maßnahmen. In diesem Sinne informieren wir unsere Kunden auch regelmäßig über Neuigkeiten zu Kurzarbeit, Fördermittelanträgen für staatliche Hilfen und Lockerungen bei Bankkrediten oder auch Mietzahlungen. Gerade weil man auch hier leider immer wieder von negativen Erfahrungen hört, sind wir außerdem große Verfechter von aktiven COVID-19 Strategien. Jetzt erst recht!
Wie sehen solche aktiven COVID-19 Strategien denn aus?
Zunächst einmal geht es darum, sich nicht auf das Problem zu versteifen, sondern die Lösung im Blick zu haben. Schließlich sind die eigenen Gäste genauso betroffen wie man selbst. Sie müssen aktuell auf eine ordentliche Portion Lebensqualität verzichten. Die Überlegung muss also sein, worin bin ich besonders gut? Was kann ich dazu beitragen, dass meinen Stammkunden und vielleicht auch potenziellen neuen Gästen die aktuellen Lebensumstände angenehmer erscheinen? Wie kann ich daraus Umsätze generieren, die helfen, meinem Betrieb das Fortbestehen zu erleichtern?
Das klingt ja schon fast heroisch. Was könnte das sein?
Dafür gibt es sehr unterschiedliche Ansätze von Lunch-Abos für Homeschooling geplagte Familien, über gemeinsame Koch-Webinare für einsame Herzen, bis hin zum 5-Sterne-Erlebnis zur Stimmungsaufhellung. Die beliebteste Variante ist dabei vermutlich der eigene „Onlineshop“, welcher nicht nur als kurzfristiges Instrument, sondern als langfristige Umsatzstrategie gesehen werden sollte.
Ein Onlineshop? Wie passt das zu Amadeus360?
Aus Gesprächen mit Amadeus-Kunden weiß ich, dass einige die Not zur Tugend gemacht haben und im Distanzgeschäft mehr als nur eine Ersatzlösung gefunden haben. Manche generieren gar mehr Umsätze als vor der Pandemie. Zugegeben, um so erfolgreich zu sein, braucht es auch ein paar begünstigende Faktoren, aber eins ist klar: Zurücklehnen und jammern gehört nicht dazu.
In meinen fünf Jahren bei Klarna habe ich viel über den Distanzhandel gelernt. Die beeindruckendste Lehre war für mich, dass winzige Veränderungen im Shop enorme Auswirkungen auf den Kaufabschluss haben können. Als langjähriger Marketer weiß ich außerdem, dass nur Nutzer, die man selbst oben in Trichter hineinkippt, auch unten als Käufer herauskommen können.
Was bedeutet das für die Gastronomie?
Zunächst einmal bedeutet es, dass ich mein Schicksal nur beeinflussen kann, wenn ich die Ärmel hochkremple und auch bereit bin, unangenehme Wege abseits meiner Komfortzone zu gehen. Ja, eine digitale Speisekarte ist für alle Gastronomen, die Wert auf das Gasterlebnis legen, ein ungewohntes Terrain, aber dennoch kein Hexenwerk. Fünf Zauberwörter beeinflussen den Erfolg des Webshops: Digitale Speisekarte, Lieferradius, Zahlungsmix, Konfiguration, Vernetzung und Aufmerksamkeit.
Bilder: Freepik
Jetzt wird es spannend: Welche Tipps geben Sie Ihren Kunden?
Nehmen wir die Speisekarte – nur in seltenen Fällen eignet sich die Inhouse-Speisekarte unverändert auch für das Außer-Haus Geschäft. Bei der Anpassung sollten die Qualitätsfaktoren der Gerichte kritisch betrachtet werden. Kann ich ein Steak "medium rare" garantieren, wenn ich es nicht direkt am Tisch servieren darf? Wie funktioniert die Lieferung von Gerichten deren Bestandteile normalerweise getrennt an den Tisch kommen? Verändert mein Gericht seine Optik, wenn es im Auto transportiert wurde? Gibt es Bestandteile wie Schaum oder Sahne, die zusammenfallen können?
Oder der Lieferradius – Die Entscheidung, wie viele Kilometer Umkreis beliefert werden, muss wohlüberlegt sein. Zum einen bestimmt die Größe des Liefergebiets, wie viele potenzielle Gäste in meinem Radius leben. Zum anderen beeinflusst die Lieferdauer aber die Profitabilität und auch die Produktqualität. Wie lang kann ich fahren, damit meine Speisen noch heiß, aber nicht verkocht, ankommen? Für eine profitable Preisfindung ermöglichen viele Shopsysteme (wie AmadeusGo) Preisaufschläge je nach Entfernung.
Was empfehlen Sie beim Zahlungsmix? Hier kommt sicher Ihre Klarna-Erfahrung zum Tragen…
Ja, natürlich. Durch meine Zeit bei Klarna weiß ich, wie stark Zahlungsarten als Erfolgsfaktor unterschätzt werden. Hier gilt es den Spagat zwischen ausfallsicher für den Gastronomen und komfortabel für den Kunden zu schaffen. Alle, die häufig Bestellungen erhalten, die dann nicht abgeholt werden, sollten kein Risiko eingehen und im Shop die Vorabzahlung als erforderlich einstellen. Sind die potenziellen Kunden aber in der Regel zuverlässig, kann guten Gewissens auch Zahlung bei Abholung oder Lieferung angeboten werden. Übrigens hat die Akzeptanz der Vorabzahlungen nicht zuletzt durch die virensichere kontaktlose Lieferung deutlich zugenommen.
Zur Konfiguration – Wenn wir schon beim Blick auf den Kunden sind: seine Zielgruppe gut zu kennen kann ebenfalls enormen Einfluss haben. Welches Endgerät nutzen meine Gäste zum Surfen und auch Bestellen? Wie hoch ist die Preissensibilität? Bevorzugen sie eher standardisierte Gerichte oder individuelle Menü- und Tender-Zusammenstellungen? Zu welchen Zeiten sollte mein Shop virtuell geöffnet sein und wann lohnt es sich nicht, die Küche bereitzuhalten? Bestellen sie gerne Stunden oder gar Tage im Voraus? All diese Faktoren lassen sich mit fortgeschrittenen Shopsystemen bedienen.
Vernetzung – Spielen Sie hier auf Social Media an?
Nein, bei diesem Punkt geht es mir um den vernetzten Betrieb und damit eine große Stärke unseres Shopgenerators. Ohne durch zu viel Eigenwerbung auffallen zu wollen, möchte ich dennoch betonen, dass die Vernetzung von Warenwirtschaft, Kasse, Shop, Küche und Buchhaltung nicht nur eine enorme Effizienzsteigerung, sondern auch deutliche Verbesserungen in der Kundenwahrnehmung bewirken kann. Wenn der Shop exakt steuern kann, welche Gerichte wann online angeboten werden, lassen sich kleinere Lagerbestände realisieren, weil die Gefahr, „leider ausverkauft“ antworten zu müssen, wegfällt. Wenn Bestellungen automatisch in die reguläre Kasse und damit auch auf die im Idealfall vorhandenen Küchenmonitore laufen, ist die Zubereitung reibungslos organisiert – auch wenn der Betrieb wieder geöffnet werden darf und sich die Bestellungen mit dem Inhaus-Geschäft mischen. Auch die Buchhaltung läuft bei vernetztem Kassenbuch automatisch mit. Somit hält sich der Extraaufwand durch die digitale Speisekarte in Grenzen und sie kann in der heiß ersehnten Zeit nach der Pandemie weiter angeboten werden.
Last but not least zur Aufmerksamkeit. Jetzt geht es um Social Media, aber auch um jede andere Art der Kommunikation mit den Gästen. Hier gilt es wieder herauszufiltern, wie man seine Zielgruppe am besten erreicht. Facebook und Instagram kann eine Antwort sein. Vielleicht aber auch Google Anzeigen, die zum Teil schon im Cent-Bereich pro Klick zu haben sind oder lokale Kooperationen mit Radiosendern oder Regionalzeitungen. Gute Kochvideos auf YouTube können schnell große Reichweite erzeugen. Oder bleiben wir traditionell: Wussten Sie, dass Sie 5.000 Flyer für unter 100 Euro drucken lassen können und sie kostenfrei in den Briefkästen Ihrer Umgebung platzieren dürfen? Das sind 5.000 potenzielle Kunden für unter 100 Euro. Welche Kanäle bedient werden, bleibt den Gastronomen überlassen. Nur eins sollten sie auf keinen Fall tun: Schweigen. Denn aus den Augen aus dem Sinn.
Ein Beitrag mit Stefanie Milcke, Chief Marketing bei Gastro Mis